Artenschutzrechtliche Prüfung

Der Artenschutz ist als ein Teil des Naturschutzes zu verstehen. Die rechtliche Grundlage dafür bilden europäische Gesetze. Zum Erhalt geschützter Arten hat die europäische Union Bestimmungen zum Artenschutz in der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) und der Vogelschutz-Richtlinie (VS-RL) erlassen. Diese Bestimmungen sind in nationales Recht umzusetzen.

Die artenschutzrechtliche Prüfung zielt darauf ab, während eines Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahrens für Projekte und Pläne nicht nur Vorgaben der Eingriffsregelung oder der FFH-Verträglichkeitsprüfung zu berücksichtigen, sondern auch die Belange des besonderen Artenschutzes.

Der Folgende Beitrag soll Aufschluss über die Bedeutung und rechtliche Grundlage sowie die Erstellung einer artenschutzrechtlichen Prüfung geben.

Inhalt

Warum sind Arten schützenswert

Rechtliche Grundlagen einer artenschutzrechtlichen Prüfung (ASP)

Prüfgegenstand der artenschutzrechtlichen Prüfung

Fazit

Warum sind Arten schützenswert?

Der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) hat in dem Artenschutzbericht 2019 dargestellt, dass rund eine Millionen Arten innerhalb der nächsten Dekaden verschwinden, wenn der Trend der Verschlechterung unserer Ökosysteme weiterhin bestehen bleibt.

Auch die Internationale Rote Liste der Weltnaturschutzunion IUCN bezeugt, dass 40% der Amphibien, 25% der Säugetiere und jede achte Vogelart bedroht sind.

Verdeutlicht wird die Bedeutung des Artenschutzes durch die rechtliche Verankerung in der europäischen und nationalen Gesetzgebung. Mithilfe der Artenschutzrechtlichen Prüfung wird sichergestellt, dass der Artenschutz bei Infrastrukturprojekten wie bspw. dem Neubau einer Straße oder der Errichtung von Windenergieanlagen gewährleistet ist.

Rechtliche Grundlagen einer artenschutzrechtlichen Prüfung (ASP)

Die Notwendigkeit einer artenschutzrechtlichen Prüfung bei Planungsvorhaben ergibt sich aus dem § 44 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetzt (BNatSchG) in Verbindung mit Abs. 5 und 6 sowie § 45 Abs. 7 BNatSchG.

Aufgrund dessen muss ermittelt werden, ob Tier- oder Pflanzenarten der besonders und streng geschützten Arten von dem Eingriff betroffen sind und ob die Verbotstatbestände berührt werden.

Die Verbotstatbestände (Zugriffsverbote) sind dem § 44 Abs.1 BNatSchG zu entnehmen. Demnach ist es untersagt

– wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,

– wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,

– Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,

– wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören.

Der Tatbestand der Tötung ist auch dann gegeben, wenn durch das Projekt das Risiko der Tötung (z. B. durch Kollisionen) signifikant erhöht wird. Bei häufig auftretenden Arten ist davon auszugehen, dass sich durch kleinräumige Störungen der Erhaltungszustand nicht erheblich verschlechtert, wenn die Beeinträchtigung nicht das Populationszentrum der Art beeinflusst. Bei seltenen Arten hingegen können bereits geringfügige Störungen zum Überschreiten der Erheblichkeitsschwelle führen, sodass hier besondere Vorsicht und Rücksichtnahme geboten ist.

Eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes einer lokalen Population ist z. B. dann anzunehmen, wenn sich als Folge der Störung bzw. Beeinträchtigung die Größe oder der Fortpflanzungserfolg der lokalen Population signifikant und nachhaltig verringert. Bei häufigen und weit verbreiteten Arten führen kleinräumige Störungen einzelner Individuen im Regelfall nicht zu einem Verstoß gegen das Störungsverbot.

Störungen an den Populationszentren können aber auch bei häufigeren Arten zur Überwindung der Erheblichkeitsschwelle führen. Demgegenüber kann bei landesweit seltenen Arten mit geringen Populationsgrößen eine signifikante Verschlechterung bereits dann vorliegen, wenn die Fortpflanzungsfähigkeit, der Bruterfolg oder die Überlebenschancen einzelner Individuen beeinträchtigt oder gefährdet werden.

Die artenschutzrechtliche Prüfung ermittelt, ob es projektbedingt zu den sogenannten Zugriffsverboten nach § 44 Abs. 1 BNatSchG kommen kann.

Prüfgegenstand der artenschutzrechtlichen Prüfung

Die artenschutzrechtliche Prüfung findet also immer dann Anwendung, wenn es den begründeten Verdacht gibt, dass Tier- und Pflanzenarten, die nach europäischem Recht geschützt sind, beeinträchtigt werden können. In der ASP werden die besonders geschützten Arten, streng geschützte Arten und europarechtlich geschützte Arten auf mögliche Beeinträchtigungen durch das geplante Projekt untersucht.

Darunter fallen in Deutschland einzelne Arten und Artengruppen europäischer Vögel, Säugetiere, Reptilien, Amphibien, Insekten, Gliederfüßer, Fische, Mollusken und Gefäßpflanzen.

Da europäisches Recht in deutsches Recht umgesetzt werden muss, werden im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) die besonders und streng geschützten Arten definiert.

Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 13 BNatSchG sind besonders geschützte Arten:

  • Arten des Anhangs IV der RL 92/43/EWG (FFH-Richtlinie)
  • Europäische Vogelarten nach Art 1 der RL 79/409/EWG (Vogelschutz-Richtlinie)
  • Tier- und Pflanzenarten der Anhänge A oder Anhang B der 338/97/EG-VO (EG-Artenschutzverordnung)
  • Arten der Anlage 1 Spalte 2 und 3 zu § 1 der Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV)
  • Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Abs. 2 BNatSchG aufgeführt sind

Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 14 BNatSchG sind streng geschützte Arten:

  • Arten des Anhangs A der 338/97/EG-VO (EG-Artenschutzverordnung)
  • Arten des Anhangs IV der RL 92/43/EWG (FFH-Richtlinie)
  • Arten der Anlage 1 Spalte 3 zu § 1 der Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV)
  • Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Abs. 2 BNatSchG aufgeführt sind

Der § 54 Abs. 2 BNatSchG ermächtigt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, nach Zustimmung des Bundesrates, eine Rechtsverordnung zu erlassen, wonach zukünftig Arten bestimmt werden können, welche in gleicher Weise wie die gemeinschaftsrechtlich geschützten Arten (d. h. Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie und europäische Vogelarten) zu behandeln sind (sog. „Verantwortungsarten“).

Eine solche Rechtsverordnung existiert zum aktuellen Zeitpunkt allerdings nicht. Dementsprechend sind die Prüfgegenstände der Artenschutzprüfung auf die Arten des Anhangs IV der FFH-RL sowie europäische Vogelarten nach Art. 1 RL 79/409/EWG beschränkt.

In Europa sind alle natürlich vorkommenden Vogelarten nach Art. 1 der Richtlinie 2009/147/EG (VRL) streng geschützt. 

Dementsprechend gelten die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote hinsichtlich der Avifauna auch für Arten, die in Deutschland häufig verbreitet sind, wie zum Beispiel für die Amsel oder die Kohlmeise.

Da der Prüfgegenstand einer ASP die besonders und streng geschützte Arten sind und sie somit teilweise seltener zu beobachten sind, kann die Frage aufkommen, wie sichergestellt werden soll, dass alle für das Projekt planungsrelevanten Arten erfasst werden sollen. Zusätzlich dazu besteht eine weitere Herausforderung darin, sporadische Zuwanderer sowie Irrgäste in dem Vorhabengebiet in der Planungspraxis ausreichend zu berücksichtigen.

Lesen Sie hier mehr zu den Erfassungsmethoden in der Umweltplanung.

Dem wird entgegengewirkt, indem die Erfassungen durch professionelle Fachexperten durchgeführt werden, mittels intensiv ausgearbeiteter und fundierter Methoden, die jeweils an die spezifische Art bzw. Artengruppe angepasst sind. Für die Bestandserfassung der Avifauna werden zum Beispiel mindestens 6 Begehungen innerhalb einer Brutsaison eingeplant, um den aktuellen Bestand an Vogelarten im Untersuchungsgebiet zu erfassen und um mögliche Irr- und Wandergäste auszumachen.

Fazit

Eine artenschutzrechtliche Prüfung erfasst und bewertet möglichst früh während eines Planungsprozesses alle planungsrelevanten Arten. Unter Berücksichtigung aller Schutz- und Vermeidungsmaßnahmen wird eine Konfliktanalyse durchgeführt. Die verbleibenden und unvermeidbaren Konflikte werden entweder für ganze Artengruppen oder Art für Art hinsichtlich des Eintretens von Verbotstatbeständen geprüft. 

Somit wird auch eine artenschutzrechtliche Planungssicherheit für den Bauherrn bewirkt. Dieser kann sich sicher sein, dass alle artenschutzrechtlichen Belange vollumfänglich erfüllt worden sind und keine strengen oder besonders geschützten Arten durch das geplante Vorhaben beeinträchtigt werden.

Als komplexes Instrument zur Einhaltung europäischen Rechts dient die artenschutzrechtliche Prüfung somit dem Schutz der Flora und Fauna und sorgt für eine möglichst ausbalancierte Koexistenz zwischen dem Menschen, den Pflanzen und Tieren.

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